1997.09.11 - Na, was macht der Fuß?

  • Es war etwa 18 Uhr abends. Der Sonnenuntergang zauberte zahlreiche Farben an den Himmel und strahlte ein paar Wolken indirekt an, sodass sie wie kleine Wattebäuschchen wirkten. Es war ein tolles Naturschauspiel, welches über dem Meer lag. Die Szene inspirierte mich zum Zeichnen, sodass ich einen Rucksack mit Zeichensachen vollpackte und auch etwas zum Essen sowie zum Trinken mitnahm. Wäre nicht morgen schon ein Training, würde ich es mit einem Glas Wein begießen, so aber entschied ich mich kurzerhand für Kakao, auch wenn das nicht wirklich zu Kufte und vegetarische Moussaka ein. Das passte zwar nicht direkt zusammen, aber egal. So verrückt wie Dumbledore war ich dann nicht, der hatte ja Senftorte mit Marmelade und Kürbissirup gemischt.


    Was es zu feiern gab? Das ich morgen wieder auf den Besen steigen und mit den Caerphilly Catapults trainieren konnte. Heute Vormittag hatte ich noch einmal ins Hospital gemusst. Zum Glück war ich nicht auf Cho Chang in dieser Sache getroffen. Das wäre vielleicht noch unangenehmer geworden nach der letzten Begegnung. Zwar war die junge Asiatin mir nicht ernsthaft unsympathisch, da gab es deutlich schlimmere Typen, aber es wäre mir doch irgendwie peinlich gewesen. Warum wusste ich selbst nicht. Noch verwirrender war für mich der Umstand, war die Tatsache, dass ihre Urlaubswahl mir weniger Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen bereitete als die Vorstellung einer Untersuchung nach unserer letzten Begegnung. Seltsam. Verwirrend. Was sollte das heißen? Ich schüttelte nur den Kopf und beschloss, diese Dinge erst einmal beiseitezuschieben. So zog ich feste Schuhe an, packte noch eine Decke sowie eine Jacke ein und verließ über die Terrasse das Haus.


    Mitten auf dem weichen, noch leicht warmen Sand breitete ich die Picknickdecke aus, um mich darauf niederzulassen. Das Ding war ein Quadrat von etwa vier Metern Größe und konnte bequem als Teppich durchgehen. Aus dem Rucksack nahm ich noch DIN-A1-Zeichenblock, dessen Rückseite ich magisch verstärkt hatte, sodass nichts verbiegen konnte, sowie die Bleistifte und die Kohlebox. Wie gut, dass der Rucksack mit einem Ausdehnungszauber belegt war. Sonst hätte ich wohl zweimal laufen müssen. Kaum dass ich die Schuhe sowie die Socken ausgezogen hatte, vergrub ich die Zehen im Sand.


    Es war, als ob sich so viel besser Kontakt zu der Szene aufnehmen konnte, die mir vorschwebte. Ich legte mit ein paar schnellen Strichen das Meer an und ließ die groben Züge eines alten Segelschiffs entstehen, als ich unvermittelt aufsah. Ein Geräusch hatte mich aufgeschreckt. Es war Bella, die Robbe. Sie war früher im Zoo gewesen, dann aber ausgebrochen und lebte seit dem in einer wilden Gruppe hier in der Gegend. Letztes Jahr hatte ich das Tier von einem Fischernetz um seinen Hals befreit. Seitdem kam sie immer mal wieder vorbei, wie um sich zu bedanken. Die Robbe hätte ohne meine Hilfe sehr wahrscheinlich nicht überlebt. „Hey Bella“ begrüßte ich das Tier und kraulte sie am Kopf. „Schön, Dich zu sehen. Und ja, Du kommst auch auf das Bild.“


    Dann war da ein Geräusch, das Bella erschrak und sie tauchte schnell wieder ab ins Meer. Ich sah mich auf der Suche nach der Quelle des Verursachers um, konnte aber nichts vor mir entdecken. Also wohl hinter mir. Ich griff nach meinem Zauberstab, als ein Schatten auf meinen Zeichenblock fiel. Als ich aufsah, stellte ich fest, was oder besser wer Bella aufgeschreckt hatte. „Hallo Miss Chang“, sagte ich freundlich. Unsere letzte Begegnung war ja nicht grade besonders schicklich oder ideal verlaufen. Eher chaotisch und sau peinlich für mich. „Dieses Mal bleib ich angezogen beziehungsweise ich geh nicht im Meer planschen“ kündigte ich direkt an. „Setzen Sie sich, wenn Sie mögen.“

  • Es war etwa 18 Uhr abends. Ich hatte es in meinem Hotelzimmer nicht mehr ausgehalten und mich spontan für einen Spaziergang entschieden. Meinem Fuß ging es schon viel besser. Ich hatte ihn viel hochgelagert und gekühlt, was wahre Wunder bewirkt hatte. Nun hatte ich wieder einen straffen Verband angelegt, damit die Gelenke gut gestützt wurden und ich nicht Gefahr lief, noch einmal umzuknicken. Dann konnte ich es vergessen, wieder arbeiten zu gehen und würde nach dem Urlaub direkt eine Krankmeldung absetzen müssen. Das galt es unter allen Umständen zu verhindern.


    Ich tauschte meine kurzen Klamotten gegen eine schwarze Leggings und einen beigefarbenen Wollpullover. Dann zog ich die Turnschuhe an, in die mein Fuß auch mit Verband hineinpasste. Ballerinas wären zu instabil gewesen und mit Flip Flops wollte ich auch nicht los. Meinen Zauberstab steckte ich in den Bund meiner Leggings, aber sonst wollte ich nichts weiter mitnehmen. Ich sah in die Ecke meines Zimmers, in der Vitalis Besen stand. Den würde ich ihm morgen vorbeibringen müssen. Ich wollte nicht, dass er dachte, ich würde den Besen behalten wollen.


    Ein roter Himmel hatte sich über Plymouth gelegt. Die Sonne ging direkt über dem Meer unter und warf warme Farben über das Wasser. Meine Schritte führten mich automatisch hinunter zum Strand, wo ich das Schauspiel besser beobachten konnte. Ich war froh, mir einen Pullover angezogen zu haben. Solange die Sonne da war, war es noch warm, aber sobald sie verschwand, würde es bestimmt kühl werden. Die Wollfasern des Oberteils würden dann ihre Wunder wirken.


    Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen in den weichen Sand. Meine Turnschuhe hatte ich angelassen, aus Angst mit dem verletzten Fuß wieder umzuknicken. Konzentriert hatte ich den Kopf gesenkt und schaute zu Boden, damit ich auch jede Unebenheit erkennen konnte. Als ich den Strand entlangging, spürte ich, wie die Anspannung der letzten Tage langsam von mir abfiel. Es waren chaotische Tage gewesen, vor allem im St. Mungo’s. Aber auch hier in Plymouth, wo ich mich eigentlich ausruhen sollte, hatte ich bisher noch keine Ruhe gefunden. Hier war ich dem Menschen begegnet, den ich am wenigsten sehen wollte. Der mir den ganzen Urlaubsschlamassel überhaupt erst eingebrockt hatte. Und dann hatte ich mich vor ihm noch komplett blamiert, und zur Krönung war mir von ihm noch der Lastenbesen angedreht worden. Lastenbesen, also wirklich!


    Ich merkte, wie schon wieder die Wut in mir hochkochen wollte und zwang mich, mich zu beruhigen. Ich atmete ein paar Mal tief durch und hob dann stolz den Kopf an, damit ich meine Umgebung in mich aufnehmen und mich positiven Gedanken zuwenden konnte.


    Dann blieb ich abrupt stehen. Das musste Einbildung sein, ich wurde so langsam wahnsinnig. Mit der Hand schirmte ich meine Augen vor der Sonne ab. Nun konnte ich besser sehen, aber die Einbildung verschwand nicht. Dort vorn am Meer saß tatsächlich Vitali auf einer Picknickdecke und mit einem Zeichenblock in der Hand. Er streichelte gerade eine ziemlich niedliche Robbe, die ihm komplett zu vertrauen schien. Ich überlegte ernsthaft, ob ich einfach wieder umkehren sollte, nachdem unsere Begegnung am vergangenen Tag so schrecklich geendet hatte.


    Unentschlossen drehte ich mich ein paar Mal zu ihm hin und dann wieder von ihm weg, doch schlussendlich beschloss ich, zu ihm zu gehen. Was mich dazu trieb, konnte ich nicht sagen. Die Robbe bemerkte mich als erstes und verschwand im Meer. Als ich fast direkt hinter ihm stand, warf ich einen Schatten auf seinen Zeichenblock. Er drehte sich zu mir um und begrüßte mich freundlich. Es wirkte ein wenig gezwungen. Wahrscheinlich erinnerte er sich auch noch zu gut an unsere gestrige Begegnung. Doch er gab sich sichtlich Mühe, also entschied ich mich, es ihm gleich zu tun.


    "Hallo, Mr. Vulkanov", sagte ich. "Ich kann es nur gutheißen, wenn heute alles an seinem Platz bleibt." Erst jetzt bemerkte ich, dass er bereits etwas gezeichnet hatte. Er hatte bereits das Meer und Segelschiff angedeutet. Ich kannte mich mit Kunst nicht besonders gut aus, aber Vitali schien wirklich Talent zu haben.


    Er bot mir an, mich zu ihm zu setzen. Wieder war ich unsicher, was ich tun sollte. Immer wenn wir aufeinandertrafen, brach eine mittelschwere Katastrophe aus. Ich wusste nicht, ob ich das an diesem Tag vertragen konnte. Aber was sollte schon passieren, wenn wir einfach nebeneinandersaßen? Also gab ich mir einen Ruck und ließ mich neben ihn auf die Decke fallen, natürlich mit gebührendem Abstand.


    "Ihr Besen steht noch in meinem Hotelzimmer. Ich wusste nicht, dass ich Sie heute Abend treffen würde, sonst hätte ich ihn mitgebracht", sagte ich.

  • Das war ein verrückter Abend, so viel stand fest. Das Schicksal schien ganz andere Pläne mit uns zu haben, als uns lieb war. Aber ich hatte beschlossen, mich zumindest jetzt zu benehmen. Das war nicht selbstverständlich. Mein Blick glitt kurz zu ihren Füßen, die in Turnschuhen steckten. Aus dem einen ragte ein Teil des Verbands hervor. Vermutlich gaben die Schuhe mehr Halt in dem nachgiebigen Sand, der zum Umknicken geradezu verleitete. Bella konnte


    Dann blieb ich abrupt stehen. Das musste Einbildung sein, ich wurde so langsam wahnsinnig. Mit der Hand schirmte ich meine Augen vor der Sonne ab. Nun konnte ich besser sehen, aber die Einbildung verschwand nicht. Dort vorn am Meer saß tatsächlich Vitali auf einer Picknickdecke und mit einem Zeichenblock in der Hand. Er streichelte gerade eine ziemlich niedliche Robbe, die ihm komplett zu vertrauen schien. Ich überlegte ernsthaft, ob ich einfach wieder umkehren sollte, nachdem unsere Begegnung am vergangenen Tag so schrecklich geendet hatte. Sie war so sorglos, wie man nur sein konnte. Die größten und gleichzeitig dringendsten Probleme, die sie kannte, war Hunger. Doch gleichzeitig war es mitunter existenzbedrohend. Zum Glück musste Bella nicht daran leiden und erwies sich als eine geschickte Jägerin. Sie erwischte schnell einen Fisch, den sie zum Strand schleppte und auf dem nassen Sand verspeiste, während sie ein paar Wellen leicht umspülten. Das Tier war ganz friedlich und schien die anfängliche Scheu abzulegen.


    Die junge Heilerin begrüßte mich ebenso höflich wie freundlich und war bemüht, die gestrige Situation nicht zu sehr zur Sprache zu bringen. Ich wurde plötzlich ein bisschen rot, denn die Worte, an seinem Platz bleiben, waren so doppeldeutig. Ich hatte ganz und gar nicht vor, mich noch einmal vor ihr zu entblößen. Das war hoch peinlich gewesen – für uns beide. Allerdings hatte sie das ganze auch verursacht, nicht etwa ich. Sie setzte sich nun unsicher auf die Decke, die ein wenig vor der aufkommenden Kühle schützte. „Ich denke, das ist doch klar. Sie konnten ja nicht wissen, dass ich nun hier sitzen würde. Und solang der Besen nicht beginnt, Randale zu treiben oder Sie um den Schlaf zu bringen, ist wohl alles in Ordnung, oder? Also, ich vermute mal, dass der Besen bis heute Nacht Ihr Zimmer nicht zerlegt hat. Beruhigt Sie das?" Derweil legte ich den Stift zur Seite, steckte ihn in ein mitgebrachtes Etui, sodass er vor einem Bruch sicher war und nicht im Sand verloren gehen konnte. Nun legte ich das Deckblatt über die begonnene Zeichnung, um sie zu schützen. Anschließend fragte ich höflich, "was macht Ihr Fuß? Genießen Sie Ihren Urlaub?"

  • „Ähm… bisher hat sich der Besen benommen“, sagte ich unsicher. „Neigt er denn dazu zu randalieren?“ Mir war bewusst, dass Besen gern ein Eigenleben entwickelten, aber mir war nicht klar gewesen, dass ich einen Unruhestifter im Hotelzimmer hatte. Der Flug zum Hotel war ruhig gewesen, daher hatte ich mir keine weiteren Gedanken gemacht.


    Die Robbe tobte derweil im Wasser herum, sprang aus den Wellen heraus und tauchte immer wieder unter. Dann war sie eine Weile verschwunden, und ich dachte schon, sie hätte sich aus dem Staub gemacht. Doch plötzlich schoss sie wieder aus dem Meer heraus und kam direkt auf den Strand zu. In ihrem Maul hatte sie einen Fisch, den sie nun genüsslich auf dem feuchten Sand verspeiste. Dabei saß sie ganz nah bei Vitali. Anscheinend hatte sie gesehen, dass Vitali mit mir sprach und sich entschieden, dass ich keine Gefahr darstellte.


    Vitali begann, seine Utensilien zu verstauen und das begonnene Bild einzupacken. „Oh, Sie müssen meinetwegen nicht aufhören. Ich möchte Sie nicht stören“, sagte ich schnell und wollte schon fast wieder aufstehen. Doch dann fragte Vitali mich nach meinem Fuß und meinem Urlaub. Ich zögerte. Wollte er etwa meine Gesellschaft? Konnte das wirklich sein? Nach unserer gestrigen Begegnung konnte ich das eigentlich nicht glauben.


    „Dem Fuß geht es besser“, antwortete ich dann. Zum Beweis streckte ich mein Bein aus und bewegte den Knöchel ein wenig hin und her. Durch den festen Verband ging das sogar schmerzfrei. „Der Urlaub… naja… Es fühlt sich irgendwie komisch an, nicht im St. Mungo’s zu sein. Seit meinem Abschluss in Hogwarts war ich nirgendwo anders“, erzählte ich. „Ich hatte noch keine Gelegenheit, mich zu entspannen.“ Ich konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken. Wieder kam mir der Tag gestern in den Sinn, und ich gab mir alle Mühe nicht schon wieder rot zu werden.


    „Was ist mit Ihnen?“, fragte ich, um abzulenken. „Verbringen Sie Ihre freie Zeit öfter hier?“

  • Es erstaunte mich beinah das der Besen sich tatsächlich von seiner netten Seite gezeigt hatte. "Manchmal ist er eigenwilliger" lautete meine Antwort. "Aber wer war nicht hin und wieder ein kleiner oder großer Rebell, ob innerlich oder äußerlich" führte ich mit einem spitzbübischen Grinsen fort, bei dem so manche Fans sich kreischend auf mich gestürzt und die Fotografen kaum mit dem Klicken ihrer Kameras hinterher gekommen wären. Dafür hätten sich beide Gruppen hier auch die Nacht über in den kalten Sand gelegt und gebibbert. Die junge Heilerin machte Anstalten aufzustehen, als ich meine Sachen einpackte und beteuerte, dass sie mich nicht hätte stören wollen. Miss Chang war offenbar sehr höflich und meine Spielfeldmanieren würden sie wohl hochrot anlaufen und umkippen lassen.


    Vitali Vulkanow mit junger Frau in Nöten am Strand gesichtet gäbe eine wunderbare Schlagzeile in der Hexenwoche oder auch im Tagespropheten. Kimmkorn würde wohl schon am liebsten die Hochzeitsglocken läuten lassen. Auf meine Frage nach dem Befinden ihres Fußes streckte sie selbigen vor, bewegte ihn hin und her und zeigte somit, dass es wohl besser war. "Das freut mich" sagte ich freundlich und hörte ruhig weiter zu. Nich nie im Urlaub war sie gewesen? Das erstaunte mich dann doch. Warum? Ich war ja wirklich quidditchversessen ohne Ende aber sogar ich wusste, dass hin und wieder Entspannung ganz guttat. "Na dann genießen Sie die Tage umso mehr."


    Bella hatte ihr Mahl beendet, um neugierig an Cho heranzukommen und vorsichtig zu beschaffen. Die nächste Frage beantwortete ich mit einem freimütigen "ja". Dann eine kurze Pause. "Ich finde das Meeresrauschen entspannend und wenn man so ein Kleinod hinter dem Haus hat muss man das auch ausnutzen finde ich. Und es wird noch früh genug kalt. Meine Lust zum Schwimmen hab ich ja gestern fröhlich gezeigt..."


    Zum Glück kam nun Bella dazwischen, denn sie beschnüffelte Cho genauer, rückte noch näher heran. Ich hätte mich glattweg wieder mit den Worten und ich vermute mal Sie hätten mir am liebsten ein Fischernetz über den Kopf geworfen ans Bett gefesselt bis das entlassen medizinisch verantwortet werden könnte in die Scheiße geritten. Ob Zufall oder Ob das Tier über einen sechsten Sinn verfügte wusste ich nicht, aber es war egal. Also danke Bella, du hast mich wohl gerettet, zollte ich der niedlichen Robbe in Gedanken meinen Respekt.


    "Ich glaube Sie können sie streicheln. Bella ist enorm zutraulich sodass ich vermute, sie muss mal in Menschenhand in Gefangenschaft bei den Muggeln gewesen sein. Insofern ist es erstaunlich, dass Bella gelernt hat zu jagen und nicht verhungert war. Ich schätze, sie kam schnell in eine Gruppe und war noch jung genug sich umzustellen. Hin und wieder kommt sie hier her seit dem ich sie mal von einem Fischernetz befreit habe" klärte ich bereitwillig die Zutraulichkeit des Tiers auf. Bisher war unklar, dass das junge Weibchen für zwei fraß und ihr erstes Baby erwartete. Aber keiner von uns ging wohl als großer Robbenexperte durch, der jeden Muggel in den Schatten stellte.

  • Vitalis Grinsen brachte mein Herz dazu, einen Schlag auszusetzen. Er war wirklich attraktiv, doch ich würde den Teufel tun und ihm dies zugestehen. Wer so im öffentlichen Leben stand wie er, hatte definitiv gelernt, im richtigen Moment zu lächeln, um das zu bekommen, was er wollte. Ich musste vorsichtig sein und durfte mich nicht einlullen lassen. "Nun, bisher hatte ich keine Probleme mit dem Besen", sagte ich und grinste zurück. "Mit dem Besitzer dafür umso mehr."


    Ich erinnerte mich an unsere Begegnungen im St. Mungo\'s, an seine Verletzlichkeit und an die Sorgen, die ich mir um ihn gemacht hatte. Ich war mir sicher, dass er es gehasst hatte, auf andere Menschen angewiesen zu sein. Irgendwie konnte ich verstehen, dass er abgehauen war, vor allem, wenn die Aussicht auf ihn wartete, die ich gerade mit ihm teilen durfte. Trotzdem war es nicht in Ordnung gewesen, denn er hatte keinen Gedanken daran verschwendet, was er mir damit angetan hatte. Ich hatte zwar keine Standpauke vom Chef bekommen, dafür aber Zwangsurlaub.


    So wie er mich ansah, konnte Vitali nicht glauben, dass ich noch nie Urlaub gemacht hatte. Wenn man bedachte, dass ich noch gar nicht so lange überhaupt erst im Arbeitsleben war, war das allerdings gar nicht so verwunderlich. "Ja, ich versuche es", sagte ich, als er mir riet, die Tage umso mehr zu genießen. "Ich schätze, ich bin noch nicht ganz angekommen."


    Mittlerweile war die Robbe immer näher gekommen. Am Anfang war sie noch scheu gewesen, doch nun wurde sie zutraulicher. Sie schnüffelte in meine Richtung, und ich streckte vorsichtig meine Hand aus, damit sie meinen Geruch wahrnehmen konnte. Bei meiner Bewegung zuckte sie ein paar Zentimeter zurück, näherte sich jedoch gleich wieder an.


    Ich konnte ein Lachen nicht unterdrücken, als Vitali mir seine Schwimmkünste und die Ereignisse des gestrigen Tages in Erinnerung rief. "Schwimmen scheint ein Ausgleich für Sie zu sein oder?", fragte ich. "Die Fröhlichkeit habe ich Ihnen wohl verdorben." Es war mir immer noch alles unfassbar peinlich, aber zumindest schien er es locker zu nehmen. Seine Worte von gestern und seine Anspielung auf den Lastenbesen hatte ich ebenfalls nicht vergessen, aber ich war nicht der nachtragende Typ, obwohl mir die Erinnerung einen kleinen Stich versetzte.


    Vitali schlug vor, dass ich die Robbe streicheln könnte, also versuchte ich es. Ich kraulte sie am Kopf, welchen sie genüsslich gegen meine Hand presste. "Gibt es denn in der Nähe einen Tierpark oder einen Zoo, in dem sie gelebt haben könnte?", fragte ich auf Vitalis Vermutung hin. "Sie scheint Ihnen tatsächlich sehr verbunden zu sein." Die Robbe wackelte entspannt mit ihren Flossen. Dann plötzlich tat sie einen Satz, sprang nach vorne und landete mitten auf meinen Schoss, wodurch sie mich von oben bis unten durchnässte.

  • Die junge Frau war mir wirklich sympathisch und ich lächelte ein bisschen. „Es freut mich, dass alles gut ging. Das wär wahrlich kein schöner Urlaub gewesen, wenn Sie plötzlich als Patientin im St. Mungo Hospital Ihren Urlaub verbringen müssten. Einziger Vorteil wäre wohl, die Urlaubstage gäbe es zurück. Aber den Ort kennt man dann doch zur Genüge, kann ich mir vorstellen und man hat da erst recht keine Lust darauf.“ Ich sparte mir allerdings den Spruch, dass die schlimmsten Patienten entweder Sportler oder Heiler waren. Denn gerade mit dem zweiten Teil würde ich ganz bestimmt nicht in ihrem Ansehen steigen. Halt, Moment, das war mir wichtig?! WIESO? ALTER WAS GEHT DENN MIT DIR AB, VITALI? donnerte meine innere Stimme in meinem Kopf los, so laut, als ob Thor seinen Hammer wie ein Wilder geschwungen hätte. Ah, da kam dann auch schon die Retourkutsche, mit dem Besitzer umso mehr. „Hm, ich schätze, als die Eigenschaft ‚Geduld bei Krankheiten oder im Hospital‘ vom Schicksal verteilt wurde, muss ich den Regenschirm aufgespannt haben oder ich hab geschlafen oder war nicht da. Suchen Sie es sich aus“ antwortete ich mit einem weiteren Grinsen. „Naja, es heißt, Nobody is perfect. Ich auch nicht, auch wenn die Presse uns Spieler gerne zu solchen Ikonen stilisiert. Noch eine Schwäche von mir? Hm, Essen?“ Allerdings hatte ich im Hospital eher wenig gegessen. Mir war nicht bewusst, woran Cho Chang gerade alles dachte, und ich ahnte auch nicht, dass mir noch eine Kopfwäsche durch meinen Vater Darko bevorstünde, sobald er von dem Vorfall Wind bekäme.


    „Das wird schon noch“ gab ich zuversichtlich und einem Zucken der massigen, muskulösen Schultern zurück. „Es gibt hier eine interessante Historie und immer etwas zu entdecken, egal in welcher Welt“ und damit meinte ich die magische, als auch die der Muggel. „Oder auch die Freundschaft einer Robbe zu gewinnen. Sie kommt längst nicht zu jedem, die werte Bella.“ Den Namen hatte sie von mir bekommen und ich fand, er passte hervorragend zu dem eleganten, wie neugierigen und auch kuschelbedürftigen Tier. Dann fragte mich Cho, ob Schwimmen ein guter Ausgleich für mich war und ich nickte. „Ja, es macht definitiv Spaß und man kann gut abschalten oder danach auch verdammt gut schlafen. Es macht mehr müde beziehungsweise man merkt es nicht im Verlauf, aber abends dann. Und naja... ähm, ich weiß nicht, ob verdorben der richtige Ausdruck ist. Vielleicht, aber ich denke, Ihre Motivation ist zumindest nachvollziehbar. Ich weiß allerdings auch, hab ich zu viel Druck auf dem Kessel und werde den nicht los, wird aus mir eine Grumpy Cat, okay, um der Wahrheit die Ehre zu geben, wohl eher mindestens im Tigerformat. Das will wirklich auch niemand im Hospital herumlaufen haben, glauben Sie mir.“


    Während die schwarzhaarige, junge, asiatischstämmige Heilerin der Robbe den Kopf kraulte, wollte sie wissen, woher das Tier stammen konnte. „Ich vermute, dass sie aus einem Tierpark oder Zoo hier in der Gegend ausgebrochen war. So zutraulich wie sie zu Menschen ist, wäre das nicht verwunderlich. Aber sie muss auch jung genug gewesen sein, das Jagen selbst zu erlernen und sie wird nicht zugefüttert. Das ist gut.“ Ich begann zu lachen, als Bella dann einen Satz nach vorne machte und das volle Kuschelprogramm von ihrer neuesten Freundin forderte. „Oh, da ist aber jemand sehr angetan von Ihnen würde ich sagen.“ Wie zur Bestätigung dieser Worte ließ das Tier ein Bellen hören. Zum Glück lag nicht die ganze Robbe auf Chang, denn das Tier wog glattweg mehr als ich und war mindestens genauso verspielt. Bella gab Cho ein feuchtes Küsschen. „Mehr als angetan“ setzte ich lachend hinzu. Doch als wäre das nicht genug gewesen musste wohl Amor im Bauch der Robbe heranwachsen oder die Schwangerschaft machte das Tier gerade zu liebestoll: Mit einem kleinen Schubser sorgte Bella dafür, dass Cho gegen meine Schulter fiel. Zwar hatte mich Cho schon vorher berührt, aber im beruflichen Kontext und das war ein unerwarteter überraschender Körperkontakt.

  • Es mir gefiel mir, dass Vitali ins Plaudern geriet und mir ein bisschen was über sich erzählte. Mir war schon klar gewesen, dass er nicht zu den leichtesten Patienten zählte. Er hasste Krankenhäuser, war ungeduldig und mochte nicht, wie die Presse Sportler idealisierte. All das hatte ich mir schon irgendwie denken können. Er war der bodenständige Typ, der einfach Quidditch spielen und nicht über die Konsequenzen nachdenken wollte. Er sagte selbst, dass er nicht perfekt war, was ihn noch sympathischer machte. Ich mochte seine Einstellung und überlegte nicht zum ersten Mal, wie ich es schaffen konnte, bei einem seiner Spiele dabei zu sein.


    Was ich nicht gedacht hätte, war, dass Essen eine seiner Schwächen sein sollte. Er sah so aus, als würde er streng auf seine Ernährung achten und keine Kalorie zu viel essen wollen. Aber anscheinend war Vitali gutem Essen nicht abgeneigt und trainierte die Kalorien beim Schwimmen wieder ab. "Essen?", fragte ich. "Was steht denn ganz oben auf der Speisekarte? Und was machen Sie lieber: selbst kochen oder Essen gehen?" Ich stellte mir vor, wie es wäre, mit Vitali in einem Restaurant zu sitzen, Wein zu trinken und angeregte Gespräche zu führen. Doch im nächsten Moment verbannte ich diese Gedanken aus meinem Kopf. Die hatten dort nichts zu suchen. Wie war ich überhaupt darauf gekommen? Vollkommener Blödsinn.


    Vitali ermutigte mich immer noch, meinen Urlaub zu genießen, vielleicht sogar etwas über die Geschichte dieses Ortes herauszufinden, egal ob es die Zauberer- oder die Muggelwelt betraf. Keine schlechte Idee eigentlich. Als meine Großeltern noch hier gewohnt hatten, hatten sie mir immer Geschichten erzählt, manchmal romantische, manchmal spannende und manchmal sogar gruselige. Es hielt mich nichts davon ab, herauszufinden, wie viel Wahrheit in ihnen steckte. Und wer weiß, was ich dabei entdecken konnte? "Wissen Sie was?" Ich grinste Vitali an. "Vielleicht mache ich das tatsächlich. Es ist ja nicht so, als hätte ich unheimlich viel zu tun."


    Er sprach liebevoll über die Robbe, die schon fast so etwas wie sein Haustier war. Bella hieß sie also. Das passte sehr gut zu ihr. Sie war wirklich schön. Ihre Haut glänzte, ihre Augen leuchteten und die Flossen sahen kräftig aus. Laut Vitali konnte sie noch nicht alt sein, da sie alleine gelernt hatte zu jagen und sich um sich selbst zu kümmern.


    Nachdem sie mich vollkommen durchnässt hatte, drückte sie mir einen feuchten Schmatzer ins Gesicht und kletterte wieder von mir herunter. Ich lachte laut auf, während ich mir das Wasser von den Wangen wischte. Mein Wollpullover und meine Leggings waren klitschnass, sogar meine Haare tropften. "Hätte ich das gewusst, hätte ich mir das duschen gespart", sagte ich immer noch lachend. Doch Bella war noch nicht fertig mit mir. Bevor sie wieder ins Meer verschwand, schlug sie einen Haken und schob mich dabei von der Seite an. Ich landete an Vitalis Schulter und stützte mich ungeschickt an ihm ab. Sofort spürte ich die Wärme, die von ihm ausging. Mein Herz begann wild zu pochen, und mein Kopf war plötzlich vollkommen leer. Unsicher blickte ich in sein Gesicht. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert, aber ich konnte ihn nicht deuten. Mir war allzu deutlich bewusst, wie nah ich ihm in diesem Moment war.


    In der nächsten Sekunde sprang der Motor in meinem Hirn wieder an. Mit fahrigen Bewegungen entfernte ich mich von ihm und rutschte von ihm weg. "Ähm… Entschuldigung… Das… Das war keine Absicht", stammelte ich. Die Wärme seines Körpers war verschwunden, und ich spürte meine nasse Kleidung umso deutlicher. Der kühle Wind und die Feuchtigkeit meines Pullovers ließen mich zittern.

  • Mit Cho Chang so zu reden war angenehm und besser als die Kopfwäschen, die ich im Hospital zu hören bekommen hatte. Oder auch die Begegnung gestern – wobei gestern ja nicht nur blöd gewesen war. Aus irgendeinem Grund war die junge Heilerin mir glattweg sympathisch. Warum wusste ich auch nicht. Dass meine Aussagen gerade ihr Herz beinahe zum Flattern brachten, wusste ich nicht. Ebenso war mir nicht bekannt, dass sie erst vor kurzem auf den Sucher Krum getroffen war. Nun wollte sie wissen, was wohl meine Lieblingsspeise war. „Hm, es gibt keine absolute Nummer eins, weil ich mich nicht langfristig entscheiden kann. Insofern spreche ich lieber von Phasen. Ich könnte eher sagen, was ich nicht mag. Calamaris beispielsweise“ oder angebrütete Enteneier. „Aber aktuell könnt ich mich in Baniza mit Spinat und Feta oder auch in Yorkshire Pudding mit Braten reinsetzen. Zumindest brauch ich mir als Spieler nach so einer Portion nicht sofort Gedanken um das Gewicht oder die schlanke Linie machen. Später irgendwann ja, wenn ich dann halt so weiter mampfe wie ein Scheunendrescher.“ Da würde sogar ich unweigerlich aus dem Leim gehen. „Und bei Ihnen?“, fragte ich dann neugierig geworden.


    „Hm, ich mag glaube ich beides. Da gibt es nicht entweder oder. Allerdings in der magischen Welt ist es nicht immer einfach, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Immer mal wieder wird man auch angesprochen. Es ist auch irgendwo schön, ja, und es gehört wohl einfach dazu. Sonst hätte ich diesen Job nicht wählen dürfen. Manchmal nervt es allerdings auch schon.“ Welche Gedankenspiele sie gerade in ihrem hübschen Kopf spielte, wusste ich nicht und wäre es so, wäre ich wohl so rot wie ein Quaffel geworden. „Ich finde es auch toll, in anderen Ländern essen zu gehen und so einen Teil der Kultur kennenzulernen. So hab ich dann auch Sushi oder die indische Küche und Falafel beispielsweise kennengelernt. Wie ist es bei Ihnen?“


    Mein Vorschlag, mehr über die Historie des Ortes herauszufinden, schien auf Begeisterung zu stoßen, denn sie gab grinsend zurück, dass sie vielleicht wirklich so etwas tun dürfte. „Urlaub ist dafür da auch mal zu entspannen.“ Als das Gespräch sich der Robbe Bella zuwandet, betrachtete Cho das Tier eingehend. Ich lachte ob der stürmischen Begrüßung. „Tja, solche Abenteuer gibt es hier schon mal. Sie sind bestimmt die einzige im Hospital, die sowas zu berichten weiß.“ Doch plötzlich hatte Bella noch mehr auf Lager. Rums! Und schon hatte ich die Frau noch näher bei mir, denn sie fiel mir praktisch in die Arme. Auch sie war davon überrascht worden. Das Tier war derweil wieder im Meer verschwunden. „Ähm... ähm“ machte ich und verfluchte mich für dieses geistlose Gestammel.


    Ihr wilder Herzschlag verriet mir, dass sie aufgeregt war. Doch warum? Und warum zum Teufel ließ sich mein eigenes Herz spontan auf diesen Takt ein? Mein Mund wurde staubtrocken. Doch das lag wohl auch daran, dass sie irgendwie auf meine Eier drückte. Autsch. Mir entfuhr unwillkürlich ein Wimmern, denn außerhalb des Spielfelds trug ich natürlich keinen Eierschutz, der meine Kronjuwelen schützte. Ich wollte mich bewegen, geriet aus dem Gleichgewicht und so neigte sich mein Kopf ihr entgegen. Nun waren nur noch wenige Zentimeter zwischen unseren Lippen.


    Doch sie rutschte wieder weg. Warum störte mich das gerade? Zumindest mein Gemächt freute sich über den verringerten Druck. Aus irgendeinem Grund spürte ich nun in meinem gesamten Körper meinen Herzschlag viel deutlicher als noch vor einigen Minuten. Es machte mir Angst, die ich aber möglichst weit von mir weg schob. Nun, da sie nicht mehr so nah war, war es kühler geworden. Kühler. Der Wind! Und jetzt setzte mein Hirn auch wieder ein. Ihre Kleidung war komplett nass. „Kommen Sie mit nach oben. Das wird hier nun schnell kühler und windiger. So nass wie Sie jetzt sind, holen Sie sich nur den Tod, wie man so sagt. Der Weg bis ins Hotel wäre lang, solange Sie fast so nass sind wie die Robbe.“ Erstaunt erkannte ich, dass ich nicht wollte, das sie gar krank wurde. Ich sollte nicht ahnen das ein Teil von mir vor so etwas dermaßen viel Angst hatte das ich zu einer extremen Verdrängung neigte und noch weniger das mir das in nicht einmal zwei Wochen mächtig auf die Füße fallen würde.

  • Ich kicherte, als Vitali von seinen derzeit liebsten Speisen sprach. Diese waren so unterschiedlich, dass ich kein Muster erkennen konnte. Aber ich mochte, wie locker er war, wie er plauderte und wie er in seinen Erklärungen aufging.


    Dann fragte er mich nach meinen eigenen Vorlieben. "Ich liebe die asiatische Küche",sagte ich. "Aber nicht das, was man in diesen klischeehaften Restaurants vorgesetzt bekommt." Bei der Vorstellung schüttelte ich mich. "Dieser widerliche Reis und dieses matschige Gemüse ist kein Vergleich zu dem, was in Asien wirklich gegessen wird. Frische Garnelen mit Ingwer, duftender Jasminreis, gebratene Shiitake-Pilze, Bambus und eine selbstgemachte Sojasauce, die nicht von dieser Welt ist." Nur bei dem Gedanken lief mir das Wasser im Mund zusammen, und ich dachte an die Zeit zurück, als meine Großeltern in dem kleinen Häuschen hinter mir gekocht hatten und der Duft bis auf die Terrasse geweht war. Wir hatten manchmal sogar das ganze Essen in einen Picknickkorb gepackt und hier am Strand mit edlen Elfenbeinstäbchen gegessen. Ich lächelte ungeniert und machte ein lautes "Mmmhhh"-Geräusch.


    Vitali verriet mir, dass er gern kochte, aber genauso gern in Restaurants essen ging. Dass er dabei erkannt werden könnte, lag auf der Hand. Einerseits genoss er es, andererseits wollte er auch gern mal seine Ruhe haben. Ich konnte mir das Berühmtsein und Erkanntwerden zwar nicht vorstellen, glaubte aber trotzdem zu wissen, was er meinte. Und dass er über das Essen gern andere Kulturen kennenlernte, machte ihn noch ein bisschen sympathischer. Bevor ich mich stoppen konnte, sprach ich meinen ersten Gedanken laut aus. "Wir können gern mal asiatisch kochen, wenn Sie diese Kultur interessiert", sagte ich. "Früher gab es hier ganz in der Nähe einen kleinen asiatischen Laden, der wirklich gute Produkte verkauft hat. Vielleicht existiert der ja noch." Erst dann wurde mir bewusst, was ich da von mir gegeben hatte, und ich geriet ins Schleudern. "Ähm… natürlich n-nur… wenn Sie wollen", stammelte ich und sah schnell weg, damit er nicht sah, wie mir das Blut ins Gesicht schoss.


    Genau diesen Moment wählte Bella, die Robbe, um mich auf Vitalis Schoß zu bugsieren. Doch dieser intensive Moment war so schnell wieder vorbei, wie er gekommen war. Kurz bevor ich mich ruckartig zurückgezogen hatte, hatte Vitali seinen Kopf näher zu mir bewegt. War das Absicht gewesen? Hatte er mich etwa küssen wollen? Nein, das war nicht möglich. Er mochte mich doch nicht mal, oder? Zumindest nicht auf diese Art… Oh man, meine Gedanken rasten schon wieder und zwar in die vollkommen falsche Richtung. Das war nicht gut… das war überhaupt nicht gut.


    Glücklicherweise unterbrach Vitali mein Gedankenkarussell. Er sprang auf und bot mir an, in sein Haus zu kommen, um zu trocknen und mich nicht zu erkälten. Ein fürchterliches Déjà vu machte sich in meinem Kopf breit, doch ich hatte keine andere Wahl. Die Sonne war schon fast verschwunden, es würde nur kühler und windiger werden. Bis zum Hotel hätte ich mir garantiert etwas weggeholt. Ich war mehr als froh, dass er mich einlud, doch gleichzeitig hatte ich Angst davor, was passieren könnte.


    Trotzdem blieb mir nichts anderes übrig. Ich stand auf und half Vitali, die Decke zusammenzulegen und seine Zeichenutensilien einzusammeln, dann machten wir uns gemeinsam auf den Weg den Strand hinauf. "Danke", sagte ich leise im Gehen. "Ich weiß das wirklich zu schätzen."

  • Es war ein angenehmes Gespräch mit der jüngeren Heilerin und wie könnte es anders sein, liebte sie die asiatische Küche. "Ich schätze, mit verbundenen Augen und ohne dass man weiß, was auf der Gabel beziehungsweise dem Löffel liegt, würde man sehr viel mehr essen. Sehr viel mehr, als wir glauben. In anderen Ländern isst man schließlich auch Marden oder dergleichen." Zumindest Proteine lieferten diese Krabbelviecher. Trotzdem würde ich das nicht essen wollen. Es kam wohl schlichtweg auf den Kulturraum an, in dem man groß wurde. Doch auch hier in Großbritannien gab es Dinge, die für andere unvorstellbar waren. Dazu zählte das schottische Nationalgericht, den Haggis. Das konnte ich vollkommen verstehen - Schafsmagen mit Hackfleisch gefüllt trieb auch mir die Galle hoch. "Es ist oftmals so, dass viele Restaurants einfach nur auf Massenware ausgerichtet sind und die Gerichte an vorherrschende Geschmäcker des Landes anpassen. Wirklich guten bulgarischen Schafskäse bekommt man hier auch nicht an jeder Straßenecke. Und das, was hier als Feta beziehungsweise Schafskäse verkauft wird, ist oftmals mit ordentlich viel Kuhmilch versetzt. Dann ist es milder. Hier ist vielen Menschen der originale Käse zu streng, zum Glück trifft das aber nicht auf meine Eltern zu." Aber es gab auch Geschäfte, in denen gute Produkte zu bekommen waren. Nun erzählte Cho ein wenig mehr von den Zutaten, die sie schätzte. Garnelen und Ingwer, gebratene Shitake-Pilze und es war ihr anzusehen, wie ihr im Munde schon das Wasser zusammenlief. Aber ich schätzte auch einen Haufen britischer Gerichte.


    "Ja, den Laden gibt es noch. Hin und wieder hol ich da auch etwas." Ein lautes mmm verdeutlichte ihren Appetit noch. Dann lud sie mich ein - wohlgemerkt hier an dem Ort, an dem ich Zuhause war - asiatisch zu kochen. Ein teil von mir war aufgeregt, freudig, ein anderer hatte Angst, noch einer war neugierig. Ging das zu schnell? Aber sie schien auch Dann landete sie auch noch praktisch auf mir und sie war so verdammt pitsch nass. Gerade war ich noch versucht gewesen, ihr etwas von dem Moussaka anzubieten. Aber nun, da sie nass war, hatte sich das erledigt. Ich konnte und wollte nicht verantworten, dass sie meinetwegen tatsächlich noch länger ausfiel. Und irgendwie wäre ich es ja schuld, wenn sie hier nass sitzen bleiben oder bis ins Hotel zurücklaufen musste. Mein Körper versteifte sich kurz und dann begann ich unkontrolliert ein bisschen zu zittern. Ihre rote Gesichtsfarbe lenkte mich ab, sie schien ebenso nicht damit gerechnet zu haben. Ich lenkte mich ab, indem ich alles zusammenpackte. Mein Mund war staubtrocken. Noch ein ziemlich neues Gefühl, das ich nur schwerlich einordnen konnte und mir etwas zum Nachdenken gab. Ich klopfte mir noch schnell den Sand von den Beinen, ehe ich ihr die Hand reichte, um ihr aufzuhelfen. Ein wenig schwungvoll, ups. Tja, da hatte jemand mal nicht ganz die eigenen Kräfte bedacht - ich.


    Der Wind frischte immer weiter auf, während wir nun nach oben gingen. "Uhh, jetzt wär es mir aber auch etwas kühl, nur da draußen zu sitzen und zu zeichnen." Mit einem Wink des Zauberstabs öffnete ich die Terassentür und ließ Cho ein. Als sie das letzte Mal hier gewesen war, hatten Vorhänge verhindert, dass sie einen genauen Blick ins Innere des Wohnzimmers werfen konnte. Meine Sachen stellte ich neben der Terrassentür ab. Ich deutete auf die linke Seite des Wohnzimmers. "Da ist ein Vollbad. Gehen Sie sich ruhig duschen oder baden. Kein Problem." Ich ging in mein Schlafzimmer, um einen Hoodie zu holen. Der wäre gewiss groß genug, um für sie als Kleid zu dienen. Mit dem Zauberstab ließ ich eine Jogginghose noch ein wenig kleiner werden. Ich wusste, dass in dem Badezimmer alles in bester Ordnung war: flauschige Handtücher, die dank eines Zaubers immer schön warm waren und Seife sowie etwas Shampoo warteten ebenfalls. Ich reichte der jungen Frau die Kleidung. Obwohl es kühl war, stand mir nun ein wenig Schweiß auf der Stirn. Der Grund dafür war schlichtweg, ganz einfach: Ich war nervös.

  • Mit etwas zu viel Schwung zog Vitali mich auf die Beine. Ich fand nicht sofort Halt auf dem durchweichten Sand und flog förmlich gegen seine Brust. Man oh man, der Kerl war wirklich steinhart. Die Berührung mit seinem Körper sorgte dafür, dass wieder dieses nervöse Kribbeln in meinem Magen zu spüren war. Dann führte er mich den Strand hinauf zu seinem Haus.


    Als ich am Tag zuvor hier gewesen war, hatte ich nichts von dem Inneren des Hauses gesehen. Nun führte Vitali mich auf direktem Weg hinein. Wir kamen direkt in ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer, von dem mehrere Türen abgingen. Vitali deutete auf eine Tür auf der linken Seite, hinter der ein Bad lag.


    Während ich mich in dem gefliesten Raum umsah, verschwand Vitali hinter einer anderen Tür. Das Bad fühlte sich warm an. Flauschige Handtücher lagen bereit, genauso wie verschiedene Sorten Shampoo und Duschbad. Was das wohl zu bedeuten hatte? Erwartete Vitali etwa Damenbesuch, und ich war ein Eindringling? Zumindest schien Vitali auf alles vorbereitet zu sein.


    Doch bevor ich meine Gedanken vertiefen konnte, stand Vitali hinter mir und reichte mir einen seiner Pullover und eine Jogginghose, die mir ziemlich sicher passen würde. Wieso hatte Vitali Klamotten, die einer Frau passten? Hatte er hier regelmäßig Gesellschaft? In seinem gemütlichen Haus am See, auf dessen Terrasse sie gemeinsam den Sonnenuntergang beobachten konnten?


    Vitali blickte mich seltsam an, als ich zögerte, die Klamotten anzunehmen. Doch ich gab mir einen Ruck und nahm den Pullover und die Hose entgegen. "Danke", murmelte ich.


    Als Vitali schon fast wieder gehen wollte, schob ich hinterher: "Ist es wirklich okay, dass ich hier bin? Ich will keine Umstände machen."

  • Die Kraft, mit der ich sie hochzog, sorgte dafür, dass sie wieder gegen meine Brust krachte. "Ähm", sagte ich leise, "tut mir leid. Ich wollte Sie nicht verschrecken." Dann schluckte ich hart. Mein Mund wurde trocken, das Herz schlug schneller, wie die Halsschlagader bewies. Ich ahnte ja nicht, welche Gedanken ich in der jungen Heilerin auslöste. Noch weniger wusste ich davon, welche Schlussfolgerungen sie aus dem Interieur beziehungsweise der Dekorierung meines Hauses zog. Genauso wenig ahnte sie wohl von den Motiven, die da eigentlich hinter standen und wieso ich das alles so herrichtete. Es war für mich selbst eine immer währende Erinnerung daran, dass ich der Hölle meiner Kindheit entkommen war. In diesen Tagen, da ich Teilen der Vergangenheit wiederbegegnet war, war dies umso wichtiger für mich. All das bildete einen bedeutsamen Anker in die Realität und half mir, zur Ruhe zu kommen. Insofern war es psychologisch klug, stets vorberietet zu sein. Es entspannte mich besser. Ganz nebenbei machte es Spaß, zu dekorieren und dergleichen. Sie murmelte ein kleines Danke, als ich ihr Pullover und Hose gab. Sie schien nun so verschreckt wie ein Reh zu sein. Das implizierte die nächste Frage wohl ebenso. "Keine Sorge. Es ist alles in Ordnung", sagte ich daher und fragte mich, wieso sie nun da drauf kam. "Ich fand es nur sinnvoller, bevor Sie sich da draußen den Tod holen. Aber nur zu, wenn Sie unbedingt wollen. Allerdings wäre es wohl reichlich komisch, am Ende des Urlaubs selbst als Patient aufzutauchen, oder? Das gäbe wohl reichlich komische Sprüche, kann ich mir vorstellen." Jedenfalls erging es so schon einmal meinem Adoptivvater Darko vor etwa acht Jahren. "Es kann natürlich noch mal wertvolle Einblicke in den Alltag bieten. Allerdings wäre es in Ihrer Lage doch eigentlich doppelt blöde, oder nicht?" Ich zuckte mit einer massigen Schulter. "Tun Sie, was Sie mögen. Sie sind, glaube ich, alt genug, oder?" Mein Tonfall war ruhig, schlicht und absolut sachlich. "Soweit ich weiß, sind die schlimmsten Patienten einerseits wir Sportler. Die anderen sind die Heiler selbst" führte ich dann lachend fort.

  • Vitali versicherte mir, dass alles in Ordnung war. Gleichzeitig bot er mir jedoch auch an zu gehen, wenn ich wollte und mir auf dem Weg zum Hotel mit großer Wahrscheinlichkeit eine fette Erkältung einzufangen. Wollte er, dass ich ging? Wollte er den Abend allein genießen und seine Ruhe haben? Seine nüchterne Art bestärkte mich in meiner Vermutung. Er gab sich nicht sonderlich viel Mühe, um mich bei sich zu behalten, aber das konnte ich ihm wohl kaum übel nehmen.


    Er wurde ein wenig lockerer, als er sagte, dass wohl nur Heiler selbst genauso schlimme Patienten wären wie Sportler. Das entlockte mir nun doch ein Grinsen, denn ich wusste, dass er recht hatte. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie ich als Patientin wäre. Wahrscheinlich würde ich alles besser wissen und die Heiler, die mich behandeln würden, betont höflich darauf hinweisen, wie sie es richtig machen sollen.


    Was sollte ich nun also tun? Sollte ich meinem Instinkt folgen und die Beine in die Hand nehmen? Doch wenn ich das tun würde, wäre mir eine Lungenentzündung sicher. Die war mit Magie zwar einfach zu heilen, aber auf die Schmerzen hatte ich trotzdem keine Lust. Wenn ich lebend aus meinem Urlaub rauskommen wollte, blieb mir also nur eine Möglichkeit. Außerdem sagte mir mein Herz entgegen all meiner Vernunft, dass es Vitalis Gesellschaft noch ein wenig länger aushalten würde.


    "Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Ihre Gastfreundschaft gern in Anspruch nehmen",sagte ich lächelnd. Er wandte sich ab, und ich machte die Tür leise hinter mir zu. Ich legte die Sachen ordentlich hin, die er mir gegeben hatte und begann, meine nassen Klamotten auszuziehen. Meine Unterwäsche war glücklicherweise nicht so nass wie der Rest, den ich fein säuberlich über die Heizung hängte. Dann stellte ich die Dusche an und wartete, bis das Wasser warm wurde.


    Die Wärme war absolut wohltuend. Mein ganzer Körper kribbelte, als das Blut wieder zu zirkulieren begann. Ich hatte eine Gänsehaut, die aber nach ein paar Minuten wieder verschwunden war. Ich genoss das Wasser noch ein paar Minuten länger, doch schließlich stellte ich die Dusche wieder ab. Die Handtücher waren genauso flauschig, wie sie aussahen. Die Hose passte wie angegossen, und der Pullover war zwar zu groß, war dafür aber umso bequemer. Meine nassen, langen Haaren hatte ich mit einem Kamm durchgekämmt, sorgsam darauf bedacht, dass ich die ausgefallenen Haare aus dem Kamm entfernte. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit im Bad waren meine Wangen rosig. Nach einem letzten Blick in den Spiegel, öffnete ich die Tür und verließ das Badezimmer.

  • Ich wartete ab, was die junge Frau nun sagen wollte. Hinter ihrer hübschen Stirn arbeitete es ordentlich und die Gedanken mussten in etwa mit der Geschwindigkeit eines Schnatzes in ihrem Kopf umher. Und offenbar galten nicht immer nur Frauen als Buch mit sieben Siegeln. Es traf wohl auch auf uns Männer zu, beziehungsweise auf mich. Hm, ja ich konnte durchaus kompliziert sein. Als ich dann aber etwas lockerer wurde, grinste sie auch ein wenig. Sie schwankte in dem, was sie nun tun sollte. "Gern, kein Problem. Ich habe es ja auch angeboten, oder?" Ich zuckte ein wenig mit der Schulter. "Es wäre nicht gerade nett sie da draußen nass wie diese Robbe zu lassen. Damit wär ich im doppelten Sinne über Ihren Ausfall schuldig." Und wenn es dafür ordentlich Ärger geben würde, dann hätte sie allen Grund dafür, mir die Ohren langziehen. Sie sprach eben noch davon, dass sie am liebsten mal asiatisch kochen wollen würde. Im Geiste ging ich kurz meine Vorräte durch, dann aber riss ich mich zusammen. Scheiße, was tat ich hier? Mein Herzschlag beschleunigte sich und mir wurde etwas warm. Ich schluckte hart, atmete ein oder zweimal tief durch. Scheiße, was tat ich hier? Aber, Moment, Scheiße war doch nicht das Wort, das ich mit Cho Chang in Verbindung bringen wollte. Sie war ja eine angenehme Gesellschaft. Ich erwiderte kurz ihr Lächeln. Während sie duschte, ging ich in die Küche und bereitete etwas Wärmendes vor:


    Kakao und Kekse waren wohl irgendwie das Richtige. Denn grade zog es sich mächtig zu und schwere, dunkle Gewitterwolken zogen schnell herauf. Das typische wechselhafte Wetter für den September in dieser Gegend. Mit einem Wink des Zauberstabs zündete ich das Feuer im Kamin an, welches sofort munter los prasselte und das Wohnzimmer behaglicher machte. Die Temperatur fiel da draußen schneller als gedacht, sodass wir kaum auf der Terrasse sitzen würden. Es dauerte nur etwa fünfzehn Minuten, bis Cho Chang wieder mit noch nassen, aber durchgekämmten Haaren aus dem Badezimmer zurückkehrte. Aus irgendeinem Grund stand ihr der Look, aber ich hütete mich, dies laut zu sagen. Dass sie eitel war und stolz auf die Haare, hatte ich schon festgestellt und ich vermutete, würde ich nun ein Kompliment machen, würde es nicht besonders gut ankommen. In der Zeit hatte ich auch wieder meine Zeichensachen relativ nachlässig auf meinen Schreibtisch im Wohnzimmer gelegt. "Hat sich hier viel verändert im Vergleich zu früher?", fragte ich dann unvermittelt heraus und hoffte, dass ich ein ungezwungenes Gespräch beginnen konnte. Ich vermutete, dass sie sich schon ein wenig den Ort angesehen hatte. Ich kannte die Gegend erst, seit dem ich hier hergezogen wurde. "Wie geht es Ihnen jetzt?", fragte ich in einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen. Ich führte vor den Kamin, und kaum dass wir saßen, donnerte es los und ein Blitz zuckte. "Uff, da haben wir aber Glück gehabt. Spätestens jetzt wäre ich nicht gern da draußen."

  • Als ich aus dem Bad kam, roch es nach warmer Milch und Kuchenteig. Es war seltsam, das vertraute Haus mit diesen fremden Gerüchen zu erleben. Früher bei meinen Großeltern hatte es immer nach Tee und frischen Kräutern geduftet. Allerdings ich konnte nicht sagen, dass die veränderte Umgebung mir nicht gefiel.


    Gerade als ich darüber nachdachte, fragte Vitali mich nach meinen Eindrücken. "Es hat sich so ziemlich alles verändert", sagte ich. "Durch die Vergrößerungszauber und die neuen Möbel ist nichts mehr so, wie es früher war. Ich glaube, das Badezimmer war früher mein Zimmer. Und dort hinten haben meine Großeltern geschlafen. Meine Eltern haben meistens im Wohnzimmer übernachtet, weil es nicht viel Platz gab. Und die Küche war auch kleiner. Ehrlicherweise war es heimeliger. Aber ich kann nicht behaupten, dass früher alles besser war", fügte ich mit einem Schmunzeln an. Und es stimmte. Auch wenn ich mich hier immer wohlgefühlt hatte, war es bemerkenswert, was Vitali aus dem Haus gemacht hatte. Die Einrichtung war gemütlich und die Dekoration geschmackvoll. Unwillkürlich fragte ich mich, ob er das alles allein gemacht oder ob er Hilfe gehabt hatte. War vielleicht doch eine Frau im Spiel? Ich wischte den Gedanken schnell wieder fort. Das ging mich überhaupt nichts an. Es war seine Entscheidung, mit wem er seine Zeit verbachte und von wem er sein Haus einrichten ließ. Ich dumme Gans hatte damit nichts zu tun.


    "Mir geht es viel besser, danke", antwortete ich auf seine nächste Frage. "Die Dusche hat gut getan, jetzt fühle ich mich wieder wie ein Mensch." Ich ließ mich von ihm zum Kamin führen, in dem ein gemütliches Feuer prasselte. Als ich mich setzte, sah ich, dass er Kakao und Kekse für uns bereitgestellt hatte und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Er war wirklich ein guter Gastgeber, das musste ich ihm lassen.


    In diesem Moment zuckte der erste Blitz über den Himmel und ein dröhnender Donnerschlag ertönte. Mein ganzer Körper zuckte zusammen. Ich hatte nicht gemerkt, dass sich der Himmel verdunkelt hatte, zu sehr war ich auf Vitali fokussiert gewesen. Ich hasste Gewitter. Mir war absolut klar, dass die Angst davor irrational war, aber waren das nicht alle Ängste? Vor allem als ehemalige Ravenclaw und Frau der Wissenschaft dürfte ich mich vor diesem Naturschauspiel nicht fürchten. Doch ich tat es, und ich konnte es nicht ändern. Vitali hingegen schien das Gewitter vollkommen kalt zu lassen. Ich presste meine Hand auf meine Brust, um mein wild pochendes Herz vor dem Zerspringen zu schützen, da knallte es draußen ein zweites Mal, und ich stieß ein Wimmern aus.

  • Ich gab mir aus irgendeinem Grund tatsächlich Mühe. Warum wusste ich nicht. Ein Teil von mir wollte darüber lieber nicht allzu genau nachdenken. Es könnte unschöne Eingeständnisse geben, für die weder sie noch ich bereit waren. Ups. Und wir waren dabei, uns fröhlich weiter in die Scheiße zu reiten. Ordentlich und gründlich, wie mein Adoptivvater trocken kommentieren würde. Wenn ich so etwas anpackte, dann RICHTIG. Ich war neugierig, wie Cho das Haus empfand und insofern waren ihre direkten Worte auch kein Problem für mich. Immerhin hatte ich es auch herausgefordert. "Hm, ja, das Badezimmer hatte früher pastellrosa Wände. Es kann sein, dass ich noch irgendwo Bilder habe. Sicher bin ich nicht." Das Zimmer daneben diente als Gästezimmer und bot von dortaus ebenfalls Zugang zum Badezimmer. "Ich verstehe was Sie meinen. Es sind Ihre Erinnerungen und das ist auch gut so. Gute, schöne Erinnerungen sind wichtig. Dann kann man dem Ort auch immer gut wiederbegegnen, egal, wie er sich verändert hat. Das geht jedenfalls mir so, auch wenn das gewiss nicht für jeden gelten mag und jeder Mensch da wohl verschieden ist. Heimat ist eigentlich auch kein Ort, eher ein Gefühl, dass wir mit bestimmten Erinnerungen und Personen verbinden, die sich an dem Ort befinden oder befanden." Und schon kam wieder die philosophische Ader in mir durch. Typisch Ravenclaw. Irgendetwas war mit ihr los, doch vermochte ich nicht zu sagen, was es war. So beobachtete ich sie neugierig. "Freut mich, dass es Ihnen besser geht", sagte ich ruhig, ohne es richtig glauben zu wollen. Dann aber legte das Gewitter los und sie begann zu zucken. "Hey", sagte ich ganz leise und sprach sie nun mit ihrem Vornamen an. "Cho... ich darf doch, oder? Es ist alles in Ordnung. Hier kann nichts geschehen, ich passe schon auf, okay?" Meine Stimme war tief, sanft. Ich reagierte auf solche Zustände doch relativ empfindlich oder einfühlsam, anders als viele Männer. Ich kannte Angst leider zu genau. Ich war aufgestanden, ohne es zu bemerken, um mich vor ihr hinzuknien und nahm ihre Hand in die meine. Durch meine eigene Erfahrung mit der Angst, wusste ich ein wenig, wie ich helfen konnte. Ich hatte es ja selbst erlebt. Ich überlegte kurz und dann "erzähl mir doch von Deinem ersten Quidditchspiel, hm?" Das war zwar etwas komisch, da wir kaum Berührungspunkte in der Schule gehabt hatten, obwohl wir dasselbe Haus besuchten. Aber egal. Alles, was half, abzulenken, war richtig.

  • Vitali sagte, dass Heimat kein Ort wäre, sondern ein Gefühl, das wir mit Personen und Erinnerungen in Verbindung bringen. Das brachte mich zum Nachdenken. Er hatte absolut recht. Ich hatte dieses Haus immer mit meinen Großeltern verbunden, mit den Gerüchen und den Erlebnissen. Es hätte überall auf der Welt sein können, Hauptsache meine Eltern und Großeltern wären da gewesen. Vielleicht störte es mich deshalb nicht, dass sich das Haus so verändert hatte. Zumal es wirklich gute Veränderungen waren.


    Dann zuckte der erste Blitz über den Himmel und drängte meine Erinnerungen in den Hintergrund. Mein Kopf war wie leergefegt. Unter meiner Hand fühlte ich mein wild klopfendes Herz. Plötzlich kniete Vitali vor mir und redete beruhigend auf mich ein. Ich hatte nicht gemerkt, wie er aufgestanden war, doch auf einmal war er ganz nah bei mir und hielt meine Hand. Er sprach mich mit meinem Vornamen an, was er vorher noch nie getan hatte. Mit seiner Stimme hörte mein Name sich so exotisch an. Irgendwie mochte ich das. Er versprach mir, dass er aufpasste und mir nichts passieren konnte.


    Dann fragte er nach meinem ersten Quidditchspiel. Der Themenwechsel war merkwürdig, doch mir war klar, dass er versuchte mich abzulenken. "Ähm…", stotterte ich. Seine Hand war warm, und seine Berührung sandte kleine Blitzschläge über meine Haut. Ich versuchte mich zu konzentrieren. Quidditch… Mein erstes Spiel…


    Vitali und ich waren zwar beide in Ravenclaw gewesen, doch während unserer Schulzeit hatten wir nichts miteinander zu tun gehabt. Er war älter als ich, und ich hatte mich zu sehr für Jungs außerhalb meines Hauses interessiert.


    "Ich war seit dem zweiten Schuljahr im Team", begann ich dann zu erzählen. "Wir haben gegen Hufflepuff gespielt. Ich habe den Schnatz gefangen, aber wir haben trotzdem verloren." Dann fiel mir noch etwas ein. Bei diesem Spiel hatte ich Cedric kennengelernt. Er war Sucher im gegnerischen Team. Ich glaube, ich bin ihm dort auch das erste Mal aufgefallen, weil ich ihm den Schnatz vor der Nase weggefangen hatte. Doch ich war kleiner, wendiger und dadurch auch schneller gewesen. Es hatte noch ein paar Jahre gedauert, bevor wir uns näher gekommen waren, doch dieses Spiel war der Grundstein gewesen.


    Diese Erinnerung beruhigte mich. Mein Herz schlug wieder normal, und mein Kopf wurde klarer. Das Gewitter tobte immer noch, war jedoch schnell weitergezogen. Donner grollte draußen, aber viel leiser, als noch vor ein paar Minuten. Vitali kniete immer noch vor mir, und jetzt nahm ich ihn wieder richtig wahr. Das Feuer des Kamins spiegelte sich in seinen Augen und brachte sie zum Leuchten. Unwillkürlich wanderte mein Blick über sein Gesicht, die scharfen Wangenknochen und schließlich zu seinen Lippen. Er war mir so nah.


    "Danke", flüsterte ich. "Für\'s Ablenken."

  • Meine Taktik, sie abzulenken und sie von ihrem ersten Quidditchspiel erzählen zu lassen, ging voll auf. Offenbar hatte sie nie das zweifelhafte Vergnügen gehabt, während eines solchen Gewitters zu spielen. Anderenfalls wäre sie etwas abgebrühter. Doch ich hatte nicht vor, ihr das vorzuhalten. Als professioneller Spieler auf internationaler Ebene hatte ich tatsächlich gelernt in den verschiedensten Klimaszonen und Wetterlagen zu spielen. Aufregung und Adrelanin taten dann ihr Übriges. Unabdingbar war aber eine sehr gute Fitness, sonst hatte man keine Chance das zu überstehen. Sie stotterte zunächst ein bisschen, aber dann kamen doch ein paar Worte heraus. Ich lächelte ein bisschen. Sie hatte begonnen zu spielen, als ich die Schule schon verlassen hatte. Während wir redeten, intensivierte sich das Gewitter. "Ja, manchmal ist es nicht so einfach und man muss eben sehr auf das Team achten - auch als Sucher", erwiderte ich. "Wenn ich mich nicht täusche, verbindest Du aber trotzdem etwas Angenehmes mit dem Spiel, habe ich recht?", fragte ich dann neugierig weiter. Ich konnte sehen, wie ihr hübsches, schwarzhaariges Köpfchen ruhiger wurde und wie mir die Berührung an ihrem Handgelenk verriet. Obwohl ich kein Heiler war, wusste ich wohl aufgrund meines Berufs wo die Arterie am Handgelenk verließ. Beim Anlegen der Schienen für den Unterarm berührte ich die Stelle ja häufig genug am eigenen Körper und so fiel es mir nicht schwer, die Stelle bei Cho zu finden. Dann zog das Gewitter doch weiter. "Gerne doch", flüsterte ich leise und musste wieder schlucken. Die Situation war aus irgendeinem Grund so verdammt intensiv, nah, privat und verwirrend. Normalerweise hätte ich kaum jemanden so viel von mir gezeigt und nun offenbarte die jüngere Frau sich auch mir. Die Pflanze des Vertrauens schien zwischen uns zu erstarken, wurde von diesem Gewitter hier kräftig begossen und schien sich von einem Gänseblümchen zu einer etwas widerstandsfähigeren Pflanze zu entwickeln. "Jeder hat ab und zu Ängste, die nicht ganz rational sind. Absolut jeder. Auch ich. Also schämen Sie sich nicht dafür. Ich gebe allerdings zu, die Leute rechnen bei uns Spielern nicht damit, dass wir so etwas haben."

  • Vitali hatte meinen Gesichtsausdruck wohl durchschaut, denn er fragte nach, ob ich mit meinem ersten Quidditch-Erlebnis etwas Gutes verband. "Ja, das tue ich", antwortete ich. "Ich habe dort jemand ganz Besonderen kennengelernt." Der Gedanke an Cedric schmerzte immer noch, und das würde er wohl auch immer tun. Trotzdem wollte ich ihn nicht vergessen, denn das würde bedeuten Cedric zu vergessen. Trotz allem, was passiert war, war ich unendlich froh, Cedric kennengelernt zu haben.


    Mehr sagte ich vorerst nicht. Der kleine Fleck in meinem Herzen, der immer Cedric gehören würde, stach. Ich legte mir die Hand an die Brust, um den Schmerz wegzudrücken, doch es funktionierte nur teilweise. Der Schmerz wurde stumpf, aber er war immer noch da. Vitali sah mich so intensiv an. Seine Augen bohrten sich förmlich in meine. Wenn er nachfragte, würde ich ihm wahrscheinlich alles erzählen. Mein Herz ausschütten. Ich wusste nicht warum, aber ich vertraute ihm. Mehrmals hätte ich er mich einfach stehenlassen und sich um seinen Kram kümmern können. Doch das hatte er nicht getan. Er hatte sich jedes Mal dazu entschieden, mir zu helfen.


    Noch einmal donnerte es, doch inzwischen bekam ich es gar nicht mehr mit. Alles was ich wahrnahm, war Vitalis Präsenz. Mit seiner dunklen Stimme erzählte er, dass auch er Angst hatte. Dass das etwas ganz normales war und man sich nicht schämen musste. Konnte das wirklich sein? Konnte sich dieser Mann vor mir, der mir so stark und mutig vorkam, vor irgendetwas fürchten? "Wovor hast du Angst?", fragte ich leise.

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